„Quäl Dich, Du Sau!„, so bekam es Jan Ulrich mal auf einer seiner Touren durch Frankreich zu hören. Kein Weichei-Programm, in der Tat. Auch manche Wanderung kann echt was für Masochisten und Abgedrehte sein. So gibt es ein Haufen verrückter Supersportlicher, die jährlich so weit laufen, wie ihre Füße sie tragen. Vom italienischen Stiefelspitzlein bis zur 64. Mautstelle am Nordkap rennen. Insgesamt 4487 Kilometer. Das zeigt derzeit nicht mal mein im vorletzten Frühjahr gekaufte Fahrrad auf dem Tacho an. Wie heißt es in der „Reise“-Ausschreibung zum Trans Europa Lauf so treffend: „Ihr merkt, dass Ihr Eure Leistungsgrenze erreicht habt und keinen Schritt weiter kommt? Na und? Dieser Zustand ist normal und wird Euch auf der gesamten Strecke immer wieder begleiten. Die dringende Forderung an Euch: Bleibt nicht mitten in der Pampa stehen und schreit: „Ich kann nicht mehr!“ Es hört Euch ohnehin niemand!“ Interessierte fangen jetzt schon mal mit dem Sparen für den nächsten „Urlaub“: Der ganze Spaß kostet immerhin 6.000 Euro. Dafür wird zum Schlafen meist ein gut gekühlter Turnhallenboden geboten. Eine Dusche am Abend? „Garantiert nicht“, so der Veranstalter. Ich höre schon den spitzen Aufschrei der Produktmanager des Medienpartners SebaMed. Und was ist mit der verschwitzten Kleidung? Hart im Nehmen? Dann bitte: Der Organisator: „Behaltet Eure Sachen an und stellt Euch unter die Dusche. Bei warmen Wetter ist das Zeugs am nächsten Morgen trocken.“
Bei allen Höhenflug durch die schönste Bergwelt: Für die Grand Cru trinkenden Best of Wanderer sicher mit Vorsicht zu genießen!
Ende Gelände
Ein letztes Mal transferiert uns Jürgen mit dem Bollig-Busle zur nächsten Etappe, die da heisst Bad Schandau. Doch halt: Thomas lässt sich nicht lumpen und lädt uns – ganz nach Elisabeths Vorbild – zu einem Sektempfang im Hause Dobritzsch ein, das praktischerweise auf dem Weg liegt. Klasse! Frau Sylvia hat extra Überstundenausgleich genommen, Häppchen angerichtet und 1a-Schampus kalt gestellt. Wenn wir gewusst hätten, was man im Osten heutzutage schon alles kriegt, hätten wir gar nicht die Südfrüchte aus unseren Lunchpaketen als Gastgeschenk mitbringen müssen.
Schweissgebadet und etwas erschöpft landen wir in der fünfsternigen Elbresidenz Bad Schandau, dem ersten Hotel mit Medical SPA in Sachsen. Das ist auch notwendig. Inzwischen können wir uns nur noch mit einem täglichen Medikamenten- Cocktail auf den Beinen halten, den wohl selbst Michael Jacksons Leibarzt für bedenklich halten würde.
Nach einer Hotelführung geniessen wir ein leichtes viergängies Essen im Restaurant Vital, wo der beste srilankesischen Koch westlich von Anuradhapura brutzelt. Dabei erfahren wir von unseren Local Guides, dass die Kanutour auf der Elbe wegen Hochwasser gecancelt werden muss. Uff! Mein erleichtertes Aufatmen ist sicherlich bis Beruwela zu hören.
Wie es weitergeht? Neugierige finden hier das Programm Sächsische Schweiz
Partido Peronista
Lange rätseln wir über die angekündigte Überraschung für den vogtländischen Abschlussabend. Eine Fackelwanderung? Ein Country-Abend in der Blockhütte? Ein Sektempfang im Schanzenturm? Weit gefehlt. Festlich verpackt und mit einem roten Schleifchen dekoriert erhält jeder von uns eine Freikarte. Für das Musical „Evita“ auf der Plauener Open-Air-Bühne. Jipiehhhh! Nachdem wir in den letzten 12 Tagen insgesamt 4 Länder und 8 deutsche Bundesländer durchlaufen haben, lockt nun noch ein Kurztrip nach Argentinien.
So sitzen wir in einem lauen Sommerabend in Plauen und lauschen für lau den skandierenden Rufen Peron! Peron! Peron! Welch krönender Abschluss!
In unserer letzten Nacht im IFA Ferienpark weinen wir uns schliesslich mit Don`t cry for me, Argentina in den Schlaf.
Die Blusen des Böhmen
So viel all inclusive hätte selbst unsere kulinarisch anspruchsvolle Gruppe nicht erwartet. Während wir am üppigen Frühstücksbüffet des IFA Ferienparks zwischen Müsli und Magerquark, Schattenmorellen und Schmierkäse, Leberwurst und Leinsamenbrötchen hin und her pendeln, tritt eine Servicedame mit vorwurfsvollem Blick heran. Wir hätten gestern unsere Lunchpakete vergessen, tadelt sie, ob mir denn bitte wenigstens heute daran dächten?
Lunchpakete? Wo sollen die denn noch hin bei vier Mahlzeiten täglich? Um weiteren Beschwerden vorzubeugen, nimmt jeder ein 3-Kilo-Paket an sich und tauscht den Inhalt nach Belieben (Bananen an Michael, Eier an Ingeborg). Vielleicht meldet sich nachts um zwei noch mal der kleine Hunger?
Da manchen von uns die Verdauungsprobleme schon ins Gesicht geschrieben stehen, sieht der nächste Programmpunkt den Besuch der Kuranlagen in Bad Elster vor. Die dortigen radonhaltigen Heilquellen sind für durchschlagenden Einfluss auf den Stoffwechsel bekannt. Aber glücklicherweise liegt der Null-Null-Notstand von Winterberg längst hinter uns.
Fast hätten wir im Land der Vögte das Wandern vergessen. Die heutige Route führt uns durch Wälder mit ungeahntem Blaubeervorkommen. Wenn mich nicht die Knie schmerzen und der Hosenbund zwicken würden, könnte ich mich bevorzugt bückend und pflückend voran bewegen.
Und plötzlich stehen wir mit einem Bein in der Tschechei (Darling, bitte übersetzen!).
Nebenbei erfahren wir von unserem Führer allerlei Wissenswertes über die Zertifizierung von Wanderwegen und den frühen, grenzüberschreitenden Biertourismus.
Aproprost: Interkulturelle Studien sind das Wahlpflichtfach unserer Gruppe. Daher gilt der Speisekarte des nächst gelegenen böhmischen Wirtshauses unsere besondere Aufmerksamkeit. Hier wird geknödelt und mit Schinken palatiert, was das Zeug hält. Und die Portionen hauen selbst eingefleischte Gourmands aus den Wanderlatschen. Steffie beschliesst spontan, doch nicht die deutsche, sondern die tschechische Staatsbürgerschaft zu beantragen. Voll guat!
PS
Wer sich Sorgen um die vegetarische Mitwanderin macht, sei versichert: ich hab mich nicht nur vom Becherovka ernährt.
PPS
Es gibt nämlich noch einen Wacholderbrand, dessen Namen ich nicht aussprechen kann. Werde zu Hause Darling befragen.