Komm Du bloss hoim…

…. drohte vor fast 20 Jahren die Kabarettgruppe Schwabenoffensive (damals war Steffie leider erst 5 Jahre alt und vermutlich noch nicht an Fremdsprachen interessiert).

Das hab ich dann auch gemacht – mit

  • 3 Kubikmetern Schmutzwäsche
  • gefühlten 6 Millionen Mückenstichen
  • einem tonnenschweren Sack voll belichteter Lomo-Filme

Glücklicherweise haben Männo und die Kolleginnen ihr Bestes gegeben, um mich vorm Rückkehrkoller zu bewahren. Von Ablage P wurde reichlich Gebrauch gemacht… Auch die Kühl- und Barschränke sind schon wieder aufgefüllt

Die Stuttgarter Max-Planck-Institute veranstalten extra zu meiner Rückkehr eine rallyeartige Schnitzeljagd durch sämtliche Stockwerke und Trakte (offiziell heisst das „Sanierung der technischen Infrastruktur“). Ganz ohne Kartenmaterial wandert man nun kilometerweit zur nächsten Kaffeemaschine oder Essensausgabe – und dasselbe dann wieder rückwarts auf der Suche nach einem noch nicht stillgelegten WC. Quasi Null-Null-Notstand im Nobelpreisland. Wer meine Pipi-Frequenz kennt, fragt sich, wie da noch Arbeit dazwischen passen soll (Obacht, Frau Jaiser, durch übermütige Blog-Beiträge hat andernorts schon mancher Mitarbeiter seinen Job verloren).

Schon nach dem ersten Vormittag vermisse ich die lauschigen Pinkelpausen zwischen blühendem Fingerhut und üppigem Farn.

Die Blusen des Böhmen

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 So viel all inclusive hätte selbst unsere kulinarisch anspruchsvolle Gruppe nicht erwartet. Während wir am üppigen Frühstücksbüffet des IFA Ferienparks zwischen Müsli und Magerquark, Schattenmorellen und Schmierkäse, Leberwurst und Leinsamenbrötchen hin und her pendeln, tritt eine Servicedame mit vorwurfsvollem Blick heran. Wir hätten gestern unsere Lunchpakete vergessen, tadelt sie, ob mir denn bitte wenigstens heute daran dächten?

Lunchpakete? Wo sollen die denn noch hin bei vier Mahlzeiten täglich? Um weiteren Beschwerden vorzubeugen, nimmt jeder ein 3-Kilo-Paket an sich und tauscht den Inhalt nach Belieben (Bananen an Michael, Eier an Ingeborg). Vielleicht meldet sich nachts um zwei noch mal der kleine Hunger?

 Da manchen von uns die Verdauungsprobleme schon ins Gesicht geschrieben stehen, sieht der nächste Programmpunkt den Besuch der Kuranlagen in Bad Elster vor. Die dortigen radonhaltigen Heilquellen sind  für durchschlagenden Einfluss auf den Stoffwechsel bekannt. Aber glücklicherweise liegt der Null-Null-Notstand von Winterberg längst hinter uns.

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Fast hätten wir im Land der Vögte das Wandern vergessen. Die heutige Route führt uns durch Wälder mit ungeahntem Blaubeervorkommen. Wenn mich nicht die Knie schmerzen und der Hosenbund zwicken würden, könnte ich mich bevorzugt bückend und pflückend voran bewegen.

 

Und plötzlich stehen wir mit einem Bein in der Tschechei (Darling, bitte übersetzen!).

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 Nebenbei erfahren wir von unserem Führer allerlei Wissenswertes über die Zertifizierung von Wanderwegen und den frühen, grenzüberschreitenden Biertourismus.

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 Aproprost: Interkulturelle Studien sind das Wahlpflichtfach unserer Gruppe. Daher gilt der  Speisekarte des nächst gelegenen böhmischen Wirtshauses unsere besondere Aufmerksamkeit. Hier wird geknödelt und mit Schinken palatiert, was das Zeug hält. Und die Portionen hauen selbst eingefleischte Gourmands aus den Wanderlatschen. Steffie beschliesst spontan, doch nicht die deutsche, sondern die tschechische Staatsbürgerschaft zu beantragen. Voll guat!

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 PS

Wer sich Sorgen um die vegetarische Mitwanderin macht, sei versichert: ich hab mich nicht nur vom Becherovka ernährt.

PPS

Es gibt nämlich noch einen Wacholderbrand, dessen Namen ich nicht aussprechen kann. Werde zu Hause Darling befragen.

 

 

Winke, winke, Winterberg

„Laptop aus und Sinne an“ befiehlt das aktuelle Ferien-Winterberg-Magazin auf Seite 8. Na, wenn`s denn sein muss….

 Noch ein letztes Mal: Handy laden. Wetterbericht abrufen. Bilder uploaden. In die Blogs der anderen spicken. Spam löschen. Autogrammkarten sortieren. Eltern anrufen. Postkarten schreiben. Klamotten falten.

Während er eigene Rollkoffer bereits so  schwer ist, dass er von einer Fischkarre abgeholt werden muss, reisen andere Mitwanderer mit derartig leichtem Gepäck, dass noch die Wirtschaftsseiten dazwischen passen.

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 Überhaupt deckt unsere Gruppe eine enorme Bandbreite ab. Die 5 ½ stündige Fahrt Richtung Vogtland überstehen die  Sensiblen nur tablettensediert, die Robusten mit einem gehörigen Adrenalinschub. Für letztere halten wir extra noch mal an der Sommerrodelbahn:

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Mit einem finalen Toilettengang treten wir von Winterberg ab. Die aparte Blockhütte birgt von vorn einen Schnellimbiss mit Bratwurst und von hinten ein Clohäuschen im Defect-Zustand. Winterberg, Winterberg.  Noch eh ich meinen Null-Null-Führer offiziell launche, weiss ich schon, wer sich im bundesdeutschen Ranking für die letzten Plätze qualifiziert. Fragt sich nur, wo Vincent Klink heute hinpinkelt.

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PS
Auf dem Treck Richtung Osten halten wir dann an einer schon obligatorischen Lomo-Raststätte, die ihre besten Zeiten bereits gesehen hat.

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Null-Null-Notstand in Winterberg

 Eigentlich will ich nur neues Filmfutter für meine Lomo kaufen. Laut der netten Rezeptionistin befindet sich der nächste DM-Markt in 5 Minuten Entfernung. Aber heutzutage kann ja keiner mehr Karten lesen… So verlaufe ich mich zwei mal ganz gewaltig und bin letztendlich 2 Stunden unterwegs.

 

Als ich ziemlich erledigt im örtlichen Einkaufszentrum ankomme, muss ich mir sagen lassen, dass es dort keine Toilette gibt. Aber ein paar Schritte weiter, direkt an einer belebten Kreuzung mit mehreren Bushaltestellen, einer dieser öffentlichen Zellen mit absolut vandalismussicherem, sandstrahlgebürstetem  Innenleben. Zwei Eingänge hat der Pavillon. Leider purzeln meine 50 Cent immer wieder aus dem Münzschlitz der Damen- und Behindertentoilette. Verzweifelt wende ich mich dem Pissoir-Eingang zu – und siehe da: mit 30 Cent bin ich dabei. Der Rest ist reine Körperbeherrschung. Uff, gerade noch mal gut gegangen.

 

 

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Liebe Gemeinde Winterberg,

 

diesen eklatanten Notstand muss ich explizit anprangern. Schliesslich gilt freier Toilettengang als einer der verbrieften Menschenrechte. Vielleicht möchten Sie sich ein Beispiel an meiner Heimatgemeinde Böblingen nehmen: dort hat sich  die Nette Toilette seit Jahren etabliert.

 

Aber vielleicht verlässt man sich im Sauerland ja immer noch auf das Rheinische Grundgesetz §3: Et hätt noch emmer joot jejange!

 

Kulinarische Sternstunden

Wer es noch nicht wissen sollte: Mehr Schwarzwald ist nirgends!

Zum Finale überschlägt sich die Tourismusdirektion geradezu. Zaubert zum ersten Mal während unseres Aufenthaltes einen kräftigen Regenschauer, um die drei Schritte bis zum Bareiss  zur trekkingschirmtechnischen Teststrecke auszurufen.

Die Dorfstube des Bareiss glänzt im Schwarzwaldstil in vollendetster Ausprägung. Bestickte Sitzkissen , umkränzte Lampenschirme, dirndlgesschmückte Servicedamen. Hier bietet sich die letzte Gelegenheit, die önologischen Highlights unserer schwäbischen Heimat zu verinnerlichen und einen 2004er Samtrot von Drautz-Able kredenzen zu lassen. Nicht nur  der sächsiche Weinzahn wirkt beeindruckt, selbst die Spezi-Fraktion lässt sich zu einem Gläslein Traubensaft aus dem Hades hinreissen. Sauberle!

 Als mein Nebensitzer seine Kamera zückt, um mein Bachsaiblingsfilet an Morchelrahmsosse und badischen Spargelspitzen zwecks Inspiration für die nächste Kochwettbewerbsteilnahme abzulichten, gebe auch ich mir einen Ruck.

 Während das Team sich genüsslich durch hochdekorierte Köstlichkeiten schlemmt,  übe ich heimlich auf der Bareiss`schen Toilette die ersten Klicks mit meiner Digitalkamera.

 bild-014.jpgZum Abschluss noch eine Runde Zibärtle – Schnaps für alle, samt etymologischer Aufklärung über die wohl zypriotische Heimat des seltenen Steinobstes. Ich sag doch: Reisen bildet!

 Danke Anja, danke Patrick!! Ihr habt Euer Bestes gegeben – und noch viel mehr. Der Wanderkollege aus Sachsen ist ernsthaft beeindruckt, die Mädels giggeln hochtourig vor sich hin und die Luxemburg-Abordnung wird sicherlich eine schlaflose Nacht verbringen. Nicht nur wegen der halben Dutzend MMS-Irrläufer auf dem Handy (Orkan Lothar mit der Nachricht: Willkommen in der EU). Ausser Saubohnen mit Speck scheinen uns nämlich keinerlei kulinarische Köstlichkeiten in LU zu erwarten. 

 Sauberle!